Ich bin 33 Jahre alt. Und mindestens genauso oft habe ich bereits Israel und meine Familie besucht, zu der ich eine sehr enge Beziehung pflege.
Doch kein einziges Mal haben mich meine vielen Israelbesuche hinter diese Mauer, in die Westbank, geführt. Bis jetzt.
Vor einigen Monaten habe ich in der brand eins einen Artikel mit der Überschrift „Nicht jammern, machen!“ gelesen. Darin beschreibt die Autorin Mareike Enghusen die mutige Entscheidung eines Mannes, der sein privilegiertes Leben in San Francisco und gut bezahlten Job im Silicon Valley an den Nagel gehängt hat, um in Ramallah ein Start-Up-Hub zu eröffnen und somit jungen Unternehmern eine Perspektive zu geben. Diese Geschichte hat mich sehr bewegt, weshalb ich Peter direkt anschrieb und mich morgen in Ramallah, seiner jetzigen Heimatstadt, mit ihm treffen darf.
Zugegeben: Ich bin etwas aufgeregt. Es ist nämlich mein erster Besuch in Ramallah, der sogenannten A-Zone der Westbank. Also jener Zone, die israelische Staatsbürger meiden – aus Angst. Ich habe lange überlegt, ob ich meiner Familie erzähle, dass ich nach Ramallah fahre. Als ich es tat, waren sie aus dem Häuschen – jedoch nicht vor Freude, sondern vor Angst. Fortan wurde mit den abstrusesten Argumenten versucht, mein Ramallah-Vorhaben abzuwenden. „Du Jude, sie Muslime, Checkpoint, Fatah, Hamas, Daesch, Terror, Entführung…“ waren nur einige der Schlagworte, die fielen. Einen kurzen Augenblick lang habe ich bereut, es meiner „polnischen“ Familie erzählt zu haben…doch nach einer Weile habe ich gemerkt, warum ich nach Ramallah, hinter diese Mauer, muss:
Eine Mauer entfernt Menschen voneinander – egal ob Palästinenser oder Israelis. Sie führt auf beiden Seiten alleine durch ihre kolossale Präsenz zu Mauern in den Köpfen und Herzen der Menschen. Ich möchte (und muss) mir morgen ein eigenes Bild von Ramallah machen. Was treibt die Menschen dort um, wie leben sie und warum hat sich Peter für diesen Weg und diese Herausforderung entschieden? Es sind Eindrücke und Fragen, deren Antworten ich meiner Familie am Freitagabend beim rituellen Shabbat-Essen erzählen werde. Mit der Hoffnung, dass sie vielleicht einige Vorurteile abbauen und Mauern in deren Köpfen zum Einstürzen bringen werden.
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